Gipfelbericht Cho Oyu – Jürgen Landmann
Nach einigen mühsamen anstrengenden Tagen fand einer unserer Teilnehmer die Energie sein Erlebnis niederzuschreiben – von Jürgen Landmann:
Gewinner sind alle, die lebend wieder runter kommen!
Tag 24: Nachdem wir 3 Tage im ABC mehr oder weniger geruht haben, sollen wir uns ab heute wieder mehr bewegen. Zu meinem Erstaunen hat irgendwer schon mal das Fruehstueck um 20min vorverlegt. Als ich mich, noch halb steif, aus meiner Behausung pelle, steht der immer gut gelaunte Chimi da und wollte mich eben wecken. Wir fruehstuecken reichlich wie immer, es gibt Porridge, Eier, Brot, Gebratene Wurst und Kaese. Es fehlt an nichts. Die Rucksaecke sind gepackt. 10.15 Uhr brechen wir auf. Dass es ernst wird, merken wir an den angezündeten Raeucherstaebchen und an Chimi. Der sitzt da und hat für jeden Opferreis parat. Wir nehmen ein wenig davon in die Hand und werfen ihn in Richtung Choerten, jeder für sich allein. Ich denke, jeder macht dabei irgendwie seinen Frieden mit dem Berg. Ich bitte darum, die Gruppe gut hoch und wieder runter zu lassen. Nacheinander umrunden wir den Turm aus Steinen und marschieren los. Bei 7 Grad und stahlblauem Himmel finden wir einen guten Rhythmus und erreichen nach 2 Stunden den Killerhang, schon wieder. Also hoch, dem ständigen Bombardement aller Kaliber ausweichend. Ziemlich fertig sind wir um 14.40 Uhr auf 6265m. Als es an Zelte aufstellen geht, kommt von irgendwo her die Nachricht, dass wir die einer anderen Expedition nutzen. Sherpas machen so etwas praktischerweise untereinander aus, cool! Chimi und Jangbu versorgen uns mit Tee, Keksen Wurst und Käse, wärend wir uns für eine Nacht einigermaßen einrichten. Zu Abend gibt es dann noch Gemüsesuppe und Spaghetti in Tomatensoße.
Tag 25: 7.00 Uhr wecken, etwas essen gegen 8 beginnt das Aufstehen. Die Sonne scheint, aber es ist eisig. Die Steigeisen anderer knirschen draußen vorbei. Wir brechen bei wechselhaftem Wetter 9.45 Uhr auf, mal schwitzt man, mal ist fast die Daunenjacke zu kalt. Die Steilstufe am Seracabbruch kennen wir ja schon, die stellt heute auch keine größere Schwierigkeit dar. Camp1.5 ist leer, weiter im Rechtsschwenk auf „Jangbus Way“ nach oben. Camp 2 auf 7180m erreichen wir mit Sonnenuntergang. Schlagartig ist es arschkalt und einige sind nicht mehr in der Lage, die Zelte aufzustellen. Aber wir sind ja ein Team! Ploetzlich wieder die Meldung: Wir dürfen in stehende Zelte, nicht schlecht! Also unsere eigenen wieder einpacken und „häuslich niederlassen“. Danke für die Gastfreundlichkeit. Wie schmelzen Unmengen Schnee, kochen etwas, trinken viel und füllen die Flaschen für morgen. Eine weitere kalte Nacht beginnt.
Tag 26: Ich habe sehr unruhig geschlafen. Den halben Vormittag bleiben wir fröstelnd und dösend im Schlafsack. Dann wird gepackt, nach dem Mittagessen starten wir zum weiteren Aufstieg. Technisch recht einfach, aber ungeheuer anstrengend geht es quasi gerade hoch auf einen kleinen Grat in Camp 3. Erst um 19.00 Uhr sind wir auf 7555m.“Todeszone!“
Hier graben wir
Terrassen für die Zelte in den Schnee. Die Sherpa, besonders Jangbu
arbeiten unglaublich. Bis 22.30 Uhr schmelze ich Schnee, damit wir auch ja genug
zu trinken haben.
Tag 27: Gerade einmal eine Stunde konnte ich dösen, schon ging der Weckruf durchs Lager. Also wieder Kocher anwerfen, eine Kleinigkeit runterwürgen, trinken. Appetit hat keiner. Es ist super Wetter, wenig Wind und gerade einmal -20 Grad. Um 2 Uhr starten wir. Nur kurz folgen wir bei sternenklarem Himmel dem Grat. Schon erreichen wir das erste markante Felsband. Gesichert am Fixseil gilt es, eine schmale steile Rinne aus dünn mit Eis überzogenem Fels hinaufzuklettern. Während ich den Eispickel nur an wagen Rippen anhaken kann rutscht das rechte Steigeisen ab und hinterlässt einen Funkenschwarm. Schaut spektakulär aus, aber ich brauche schnell wieder Halt. Den find ich auf einer kleinen Leiste und steige weiter.
Es folgen weitere Schnneefelder und ähnliche Kletterpassagen im Wechsel. Alles geht so unglaublich schwer und langsam. Gegen 9 Uhr erreiche ich das Gipfelplateau, eine riesige ansteigende Fläche, noch 2h zum höchsten Punkt! Es gibt eine deutliche Spur, der folge ich. Unterwegs habe ich einmal Halluzinationen, Jan-Jilles berichtet später von ähnlichen Erlebnissen, schon eigenartig mit dem Sauerstoffmangel.
Um 11 Uhr stehe ich gemeinsam mit unserem
“Anführer “ Dan am höchsten Punkt. Leider hat es mittlerweile zugezogen.
So fotografieren wir uns, bleiben noch eine Weile und beginnen mit dem
langen Abstieg.
Wer nun denkt, runter geht es leichter, liegt völlig daneben. Jeder Schritt schmerzt, in den Muskeln ist nichts mehr. Man quält
sich jeden Meter hinunter. Stupide einen Fuß vor den anderen setzend sucht
man immer nur nach einer nächsten realistisch zu erreinenden Wegmarke.
Unendlich weit kommt einem die Strecke vor. 14.15 Uhr sind wir wieder in Camp 3.
Mittlerweile hat es stark angefangen zu schneien, Lawinengefahr! Hier sind
wir nicht sicher! Also Camp abbauen und weiter absteigen in Camp 2. Jeder
schleppt sich also irgendwie noch da runter, die Zelte stehen ja schon.
Tag 28: Die meisten sind um 7 Uhr wach, lassen es aber ruhig angehen. Jeder
schmilzt Schnee, versucht zu Kräften zu kommen. Von 11 bis 12 steigen wir
in Camp 1 ab. Dort die Überraschung: Chimi kommt uns entgegen und bringt einige
Dosen Cola und Bier! Danke! Wir trennen uns von der schweren Bergausrüstung
und nutzen gern die Möglichkeit des Transport durch „Yakba“, tibetischer
Träger. So erleichtert, aber immer noch mühsam genug sind wir 17.45 Uhr
endlich zurueck im ABC.
Was für eine Anstrengung!!! So etwas Schweres
habe ich noch nie in meinem Leben gemacht!!! Wir wurden wärmstens empfangen
und können wieder den gesamten Luxus einer Zivilisation genießen, toll!
Tag 29: Um 8 Uhr ist Frühstück, wir sehen abgemagert, aber glücklich aus. Heute kann jeder duschen, sich frisch einkleiden, es ist geschafft.Die meisten hat der Berg irgendwie gezeichnet. Ich habe mir 7 Zehen leicht angefroren, das pelzige Gefühl kenne ich schon vom Eisklettern. Es wird nach einiger Zeit verschwinden. Auch eine Art blinden Fleck auf meinem rechten Auge hatte ich schon (da aber links) am Baruntse im Vorjahr. Das verschwindet beim weiteren Abstieg. Lippen und Nase sind verbrannt und schmerzhaft verkrustet, lediglich am Gipfeltag vergessen, einzucremen, naja. Kollateralschäden. Heute bringen die Träger unsere Sachen herunter und wir freuen uns, dass alle wieder unten sind. Am Abend gibt es die Gipfeltorte.
Tag 30: Weil die Yaks zum Abtransport der gesamten Expeditionsausrüstung erst kommende Nacht hier ankommen, bleiben wir eben heute noch hier. So besteht die Möglichkeit, die Ausrüstung zu trocknen und vielleicht das eine oder andere Andenken von den Tibetern zu verstehen. Ich für meinen Teil bin sehr froh, Mitglied dieser Expedition gewesen zu sein. Es war eine sehr Erfolgreiche! Die letzten Tage hoffe ich noch in meinem geliebten Kathmandu verbringen zu können, um dann heim zu meiner Familie zu reisen. Dann gibt es mehr und genauere Berichte sowie viel, viel mehr Bilder. Vorerst herzliche Grüsse und vielen Dank für das Interesse, Euer Lander